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Wenn das Internet zur Sucht wird
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Am 9. Oktober 2024 fand in Meran der Vortrag „Internetkonsum bei Kindern – was und wie viel ist richtig?“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Forum Gesundheit Südtirol“ des Südtiroler Sanitätsbetriebs statt.
Der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal im „Pavillon des Fleurs“ zeigte, wie brisant dieses Thema für viele Eltern und Erzieher ist. Nach den einleitenden Worten des Sanitätsdirektors Dr. Josef Widmann erklärten Primarin Donatella Arcangeli vom landesweiten Dienst für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Fachärztin Benedetta Berlese anschaulich, warum übermäßiger und früher Medienkonsum für Kinder nicht empfehlenswert ist.
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Wussten Sie, dass das menschliche Gehirn erst mit etwa 25 Jahren vollständig ausgereift ist? Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten, emotionale Einschätzungen rational zu hinterfragen. Das impulsive Verhalten von Teenagern ist neurobiologisch bedingt und Teil ihrer Entwicklung. Auch die oft beobachtete Langeweile ist in dieser Phase normal.
In dieser empfindlichen Entwicklungszeit bieten Videospiele oder stundenlanges Surfen im Internet eine schnelle Flucht vor der Langeweile. Dabei wird Dopamin ausgeschüttet, sobald neue, „belohnende“ Inhalte verfügbar sind. Doch hier beginnt die Gefahr der Sucht: „1-2 von 10 Jugendlichen entwickeln echte Suchtverhalten und vernachlässigen ihre sozialen Kontakte“, warnten die Expertinnen. Wie bei jeder Sucht glaubt man zunächst, das Verhalten kontrollieren zu können. Doch ab einem bestimmten Punkt dreht sich alles um das nächste Videospiel oder den nächsten Internetbesuch, und der Schlaf wird vernachlässigt – ein großes Problem für Jugendliche, die ausreichend Schlaf zur Erholung und Konzentration benötigen.
Im Extremfall kann sich eine „Hikkimori“-Situation entwickeln. Dieser japanische Begriff beschreibt Menschen, meist hochintelligente junge Männer, die sich komplett von der Außenwelt isolieren. Sie leben nur noch online, während reale Kontakte – selbst zur Familie – als bedrohlich empfunden werden. Hier können nur noch Fachleute helfen.
Sollten Eltern ihren Kindern nun das Smartphone gänzlich verbieten? Nein, sagen die Expertinnen. Vielmehr sei es wichtig, Regeln zu vereinbaren, wie lange und wofür das Handy genutzt werden darf. Kinder unter 14 Jahren sollten so wenig wie möglich online sein, während in Italien derzeit eine Petition für strengere Regelungen läuft. In Spanien wird empfohlen, Kindern unter 12 Jahren keinen Zugang zu Smartphones zu gewähren, und „WhatsApp“ ist dort erst ab 16 Jahren erlaubt. „Wenn wir Kinder ein Auto fahren lassen und sie einen Unfall verursachen, können wir nicht das Auto verantwortlich machen – wir müssen uns fragen, wer ihnen die Schlüssel gegeben hat“, mahnt Arcangeli.
Die Expertinnen raten Eltern eindringlich, ihren eigenen Medienkonsum zu überdenken. Wenn Kinder schon im Kleinkindalter mit Videos auf dem Handy beruhigt werden, wird es später schwer, ihnen einen maßvollen Umgang mit Medien beizubringen.
Dennoch sollten digitale Medien nicht verteufelt werden: Sowohl „digital natives“ (die mit dem Internet aufgewachsenen Jugendlichen) als auch „digital immigrants“ (alle anderen) haben heute Zugang zu Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten, die vor wenigen Jahrzehnten undenkbar waren.
Nach dem Vortrag fand eine lebhafte Diskussion statt, an der auch Michael Reiner, Leiter der Abteilung Beratung und Information bei Young & Direct, teilnahm.
Der Vortrag ist unter folgendem Link auf YouTube verfügbar:
YouTube-Link zum Vortrag
Der nächste Vortrag der Reihe „Forum Gesundheit Südtirol“ behandelt am 21. November im Pastoralzentrum Bozen das Thema „Antibiotika richtig gebrauchen“.